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Piratenkapitän Ayk:
auf Spurensuche

Gleiche Jahreszeit, gleicher Ort, gleiche Geschichte? Nein, manche Geschehnisse wiederholen sich, andere jedoch nicht. Sie sind einmalig, besonders und einzigartig. Man kann die Uhr nicht zurückdrehen, doch man kann sich an sie erinnern.

In diesem Kontext erscheint der Ausspruch, dass Täter an den Ort des Verbrechens zurückkehren, plausibel. Es ist die Erinnerung und die Sehnsucht, die einen treiben. Doch manchmal ist es einfach nur ein Zufall oder für diejenigen, die an Zufälle nicht glauben, das Schicksal.

In einem von Sturm gezeichneten Boot treibe ich ohne einen Segel und ohne Ruder auf der Nordsee. Die Tage habe ich inzwischen aufgehört zu zählen. Man hat mich auf hoher See ausgesetzt, das Schicksal eines von Meuterern überwältigten Piratenkapitäns. Und doch war es ein gnädiges Urteil, denn die Alternativen hießen Galgen oder Pistolenkugel.

Ich weiß nicht, welchen Göttern ich es zu verdanken habe, denn der Glaube an ein Happy End schwand von Minute zur Minute, aber ich erreiche völlig erschöpft einen Küstenstreifen.



Der Ort kommt mir irgendwie bekannt vor. Genau sechs Jahre sind es her, da war ich mit meiner Mannschaft bereits hier an diesem Strandabschnitt, hier hat die Geschichte um Piratenkapitän Ayk begonnen. Nun komme ich unfreiwillig zurück, allein.

Mein Fortbewegungsmittel bricht gänzlich auseinander und kentert kurz vor dem Festland. Jetzt heißt es die letzten Kräfte mobilisieren, die restlichen Meter bis zum Strand muss ich schwimmen.

 


Völlig geschafft, ausgepumpt, ohne Hab und Gut und doch noch mit dem Leben davon gekommen bekomme ich festen Boden unter meinen Füssen. Eine Kugel an einer Schnur, die ich als Schleuder zu benutzen gedenke, ist mein einziger Besitz, mein Werkzeug, meine Waffe. Außer diesem Utensil hat man mir auf meine Reise nichts mitgegeben. Wozu auch, schließlich war mir der Tod bestimmt.

 

 

 


Ein kurzer Blick zurück, die Flut spült noch ein kleines Brett an, das letzte Teil meines versunkenen Bootes. Dieses hat seine Schuldigkeit getan, noch bevor sich die Fluten des Meeres seines bemächtigten.

Der Strand ist menschenleer, kein Freund aber auch kein Feind zu sehen. Ich mache mich auf den Weg in den nächsten Ort, vielleicht finde ich dort wohlgesonnene und hilfsbereite Bürger, die einen Schiffbrüchigen versorgen können und wollen.

 


Die erste Person, die ich treffe, ist still und verschlossen. Kein Wort des Mitleids, keins der Aufmunterung verlässt seine Lippen. Mein Schicksal - und mag es auch so abwechslungsreich und gleichzeitig tragisch sein - ist ihm egal. Wenigstens kann ich mich neben ihm auf die Bank setzen und ausruhen. Denn auch dagegen hat er nichts einzuwenden.

 

 

 


Vielleicht liegt es daran, dass ich die letzten Tage keine Menschenseele zur Gesicht bekommen habe, dass ich allein mit dem wilden Sturm und den rauen Gezeiten auf See verbracht habe, ich will und kann nicht so schnell aufgeben. Es ist zwar mühsam und dauert eine ganze Weile, doch dann schmilzt das Eis zwischen uns. Und trotz der anfänglichen Zurückhaltung und des offensichtlichen Misstrauens kommen wir langsam ins Gespräch.

 


Dem alten, einsamen Mann, der Tag ein und Tag aus die See von seiner Bank aus betrachtet, habe ich es zu verdanken, ohne große Mühe doch noch das nächste Dorf gefunden zu haben.

Ich werde nicht nur gastfreundlich aufgenommen, man gibt mir sogar die Gelegenheit, das bis auf das letzte Haar durchnässte Fell zu trocknen. So eine Wärmekabine wirkt erholsam und regenerierend.

 


Doch das ist nicht alles. Auch mit Speis und Trank geizt man hier wahrlich nicht. Nicht nur ein Schluck kalten Wassers und frisch zubereiteter Fisch stehen auf der Speisekarte. Es erwartet mich ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Buffet.

Als Pirat ist mir diese Freundlichkeit nie entgegen gebracht worden. Mein Leben war von Pöbeleien, Misstrauen, Kämpfen um Rangordnung und Revier sowie einer ständigen Unruhe geprägt. 

 


Nun lerne ich eine andere, lockere Lebensart kennen. Angeheitert und mit gefüllten Magen geht es anschließend auf die Tanzfläche. Pure Freude und Ausgelassenheit. Ein Schritt links und ein Schritt rechts, im Takt der Musik. Schnell entstehen die ersten Kontakte zu den Einheimischen.

 

 

 

 

 

 


Am nächsten Tag brummt mir etwas der Schädel, auch der Schlaf war kurz und kann nicht unbedingt als ausreichend bezeichnet werden. Und trotzdem scheinen die Gedanken klarer denn je zu sein. Ich lasse mir eine Prise Meeresluft durch das Fall wehen und blicke voller Melancholie nochmal auf die See. Sie bedeutete für mich in den letzten Jahren einfach alles.

 

 


Doch das war gestern und vorgestern. Vielleicht habe ich das Glück in der Vergangenheit zu oft strapaziert, bin nicht selten mit Geschick aber auch mit viel Dusel dem Schlimmsten entkommen. Soll das immer so weiter gehen?

 

 

 

 


Ich glaube es wird an der Zeit, das Kapitel vom Piratenkapitän Ayk langsam zu schließen. Mögen mich die Zeitzeugen als mutigen, verwegenen und draufgängerischen Rumtreiber, der die Nord- und die Ostsee unsicher gemacht hat, in Erinnerung behalten. Doch auch wenn mein Geist noch jung ist, so sind die letzten Jahre nicht spurlos an mir vorbei gegangen. Ich sehne mich nach etwas mehr Ruhe und einem geordneten Alltag. Wahrscheinlich bin im wahrsten Sinne des Wortes bodenständig geworden.

 


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