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Der zweite Bildungsweg
oder das etwas andere Tagebuch

4. Akt: Die Belohnung

 

Ein neues Ziel

Besonderen Ehrgeiz entwickelt man immer dann, wenn man sich neue Ziele setzt. In unserem Fall ist es die Zuchttauglichkeitsprüfung (Körung). Ich bin inzwischen fast drei Jahre alt, ein gesunder, lebendiger Rüde, der an anderen Hündinnen weiterhin interessiert ist, ohne jedoch durchzudrehen. Inzwischen bin ich auch was andere Hunde angeht wesentlich verträglicher, habe zwar weiterhin so manchen Feind, den ich absolut nicht leiden kann, doch lasse mich von meinen Zweibeinern durch solche Situationen führen. Ab dem dritten Lebensjahr dürfte ich theoretisch in der Zucht eingesetzt werden.

Vorher gilt es aber die Körung zu bestehen, auch wenn meine Vorraussetzungen dafür nicht besonders gut sind. Einige Zeilen vorher habe ich beschrieben, dass ich sehr schlechte Erfahrung mit einem Tierarzt gemacht habe, ein weiteres Problem, das es zu lösen gilt. Denn neben Begegnungen mit anderen Hunden und der Bewältigung von Stresssituationen muss man sich bei einer Zuchttauglichkeitsprüfung messen und abtasten lassen. Auch das Zähnezeigen ist ein Muss. Und dies alles auf einem Tisch, einer höher liegenden Position, die meine Zweibeiner immer zu vermeiden versuchten, um ein dominantes Verhalten zu unterbinden. So ist es ihnen früher von so manchen Hundtrainer eingetrichtert worden.

Als wir bei Thorsten angefangen haben, mussten wir uns aus Zeitproblemen und nicht zuletzt auch auf Grund der Kosten entscheiden. Letztendlich haben wir uns durchgerungen, die Besuche in der Hundeschule Kynos aussetzen. Doch nun haben sich die Randbedingungen wieder geändert. Wir haben die Körung vor uns und bei Thorsten haben wir soweit alles Nötige gelernt, so dass wir die Besuche bei ihm reduzieren können. Trotzdem bleibt uns noch das Problem, dass einerseits eine Menge von Aufgaben noch vor uns liegt und andererseits nur noch wenig Zeit bleibt. Außerdem fehlen uns weiterhin die richtigen vierbeinigen Übungspartner. Also machen wir uns wieder auf die Suche nach einer passenden Hundeschule in unserer Wohnortnähe.

Der erste Anlaufpunkt ist ein Hundesportverein. Ich werde langsam an den Platz geführt und darf anderen Hunden bei den Übungen zuschauen. Wir unterhalten uns mit einer Trainerin und stoßen auf Verständnis, als wir unsere Vorstellungen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise äußern. Doch zwischen Theorie und Praxis liegen manchmal Welten, vor allem dann, wenn unterschiedliche Trainer mit fundamental unterschiedlichen Anschauungen die Übungen leiten. So ist es naheliegend eine Entscheidung zu revidieren, wenn man merkt, dass wieder Klapperdosen und Fußtritte statt positiver Bestätigung als Erziehungsmaßnahme vorgezogen werden bzw. herhalten müssen. Im Wechsel der Hundeschulen haben wir inzwischen Übung und kein schlechtes Gewissen mehr. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Die Karawane führt uns also wieder zu einer privaten Hundeschule. Die Philosophie des neuen Trainers ist weg von der Wattebauschtaktik hin zum fordernden Verhalten, keine Gewaltanwendung aber unmissverständliche Forderung nach Gehorsam. Ein Hund hat all das zu tun, was der Zweibeiner verlangt. Keine körperliche Gewalt finden wir gut, klare Ziele ebenfalls. Grundsätzlich sind wir uns einig und die ersten Stunden verlaufen auch zufriedenstellend. Einzig störend empfinde ich die Tatsache, dass ich nicht von Frauchen oder Herrchen an der Leine geführt werde, sondern vom Übungsleiter selbst. Und das sogar nach ein paar Wochen. Wie sollen meine Zweibeiner dabei üben? Auch die extremen Stresssituationen, denen ich ausgesetzt werde, bekommen mir nicht. Ich werde immer scheuer und misstrauischer, was andere Menschen angeht, lasse mich nicht mehr anfassen, sonders weiche aus. Das merken Frauchen und Herrchen natürlich, denn sie haben ja gelernt, mich zu beobachten. Skepsis macht sich breit.

Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist eine Übung zum Ende einer Trainingseinheit. Es werden an mir vorbei mehrere unbekannte Hunde geführt, ich reagiere aufgeregt und gestresst. Ausweiche kann ich nicht. Ich kann mich aus dem Platz auch nicht erheben, weil mein Frauchen auf der Leine stehen muss. Unkontrollierte Reizüberflutung, ein Umkippen droht. Die Übung geht daneben, auch wenn ich nicht belle und es dann im Sitz etwas besser klappt. Der Trainer erkennt das Problem nicht, sondern schaut nur gestresst auf die Uhr. Ich bin heilfroh, als es endlich vorbei ist. Mit diesen negativen Erlebnissen beende ich diese Trainingsstunde, meine letzte in dieser Hundeschule. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass man Angst nicht mit anderer Angst bekämpfen kann. Glücklicher Weise ist der Schuss nicht nach hinten gegangen.

Zurück zu bewährten Mitteln

Da die zwei Versuche mit Hundeschulen in unserer Umgebung fehlgeschlagen sind, bleibt weiterhin die Frage, quo vadis Ayk?

Und wieder spielt der Zufall mit. Inzwischen plant meine Ziehfamilie einen neuen Wurf mit meiner Schwester Akira. Neuer Wurf bedeutet aber auch, dass wieder die Suche nach neuen Familien für die Welpen losgeht. Dass es die Rasse der Kromfohrländer gibt, hat sich im Saarland inzwischen anscheinend auch herumgesprochen, weil es nun mehrere Interessenten aus unserer Region gibt, die sich in Darmstadt melden. Eine dieser Familien besuchen wir kurz vor Ostern 2009, wir halten auch danach weiterhin Kontakt. Und als es sich immer mehr herauskristallisiert, dass sie wohl einen Welpen bekommen könnten, da heißt es natürlich Vorbereitungen treffen. Die Suche nach einer geeigneten Welpenspielstunde geht los und wir werden nach einer Empfehlung gefragt. Gerade wir, bei unserem Verschleiß!

Natürlich denkt man in diesem Augenblick an alle die Hundeschulen, die man selbst besucht hat, an die vielen schmerzhaften Erfahrungen, die man dort machen durfte und machen musste. Spontan fällt uns natürlich die Hundeschule Kynos ein, bei Susanne war es toll. Herrschen spielt sowieso wieder mit dem Gedanken, mit mir dort zu trainieren. Und wir lernen auch die Hundeschule Schnüffelnase von Marion Thömmes kennen. Beide schwimmen auf der gleichen Welle, keine körperliche und keine seelische Gewalt, positive Bestätigung und viel Geduld. Das alles kennen wir bereits und damit haben wir auch gute Erfahrungen gemacht. Da der Körungstermin wirklich nicht mehr weit entfernt ist, beschließen Frauchen und Herrchen dreimal in der Woche zu trainieren. Zum ersten Mal greift auch Herrchen zur Leine, bislang hat er an den Übungsstunden eher als stiller Beobachter und Zuhören teilgenommen.

Herrchen steigt mit mir bei Susanne wieder voll ein. Sie ist von meiner Entwicklung positiv angetan und freut sich, dass wir wieder dabei sind. Wir treffen alte Bekannte und es macht richtig Spaß mit Herrchen an der Leine. Frauchen geht mit mir zu Marion trainieren. Auch hier werden Hundebegegnungen geübt, doch vor allem ein großer Wert auf Gelassenheit und langsames Gehen gelegt, denn „auch souveräne Hunde bewegen sich langsam“ und zappeln nicht hektisch herum. Das tut nicht nur mir, sondern auch Frauchen gut.

 

 

Die Angst vor dem Tierarzt

Natürlich üben meine Zweibeiner bereits mit mir das Stehen auf dem Tisch und das Zähnezeigen - nicht das, was Ihr wieder mal meint, Zähnefletschen ist tabu. Nach der bösen Erfahrung im Welpenalter hat mein Herrchen mir inzwischen beigebracht, mit „mach Ahhh“ und „zeig“ mein Maul selbst aufzumachen und meine Beißerchen zu zeigen. Diese Übung können wir nun nutzen. Auch das Hochziehen der Lefzen lasse ich mir inzwischen gefallen, obwohl es mir nicht unbedingt gefällt. Nachdem ich bereits auf einen wackeligen Campingtisch im Garten von alleine hochspringe und mich von meinem Menschenrudel überall (auch zwischen den Beinen) abtasten lasse, üben wir diese Prozedur nun auch mit fremden Personen. Zunächst sind  Herrchens Eltern dran, dann Personen aus der Hundeschule, Nachbarn und vor allem Andrea und Jörg. Wer ist Andrea und Jörg? Das sind die Interessenten, die gerne einen Welpen von Akira bekommen würden und auch schließlich bekommen werden. An dieser Stelle wollte ich mich noch bei allen Versuchspersonen für die Unterstützung aber auch für das Vertrauen in mich bedanken.

Mein Frauchen geht mit mir nun regelmäßig zum Tierarzt und ich bekomme dort Leckerlies, ohne dass ich behandelt werden muss. Die Arzthelferin hat es mir besonders angetan. Bei ihr springe ich sogar allein auf den Behandlungstisch, lasse mich rauf- und runterfahren und sie darf mich auch streicheln. Den Tierarzt - übrigens nicht der, der mich kastrieren wollte, auch den haben wir verlassen - meide ich noch ein wenig, schließlich pickst er mich immer wieder, wenn die Impfung ansteht.

Eigentlich bin ich sehr froh, dass ich bis dahin (und so soll es - hoffe ich - auch bleiben) wenig Grund hatte, einen Tierarzt zu besuchen. Impfungen und eine blutende Ballenverletzung reichen aus, um mein Bedürfnis nach Wartezimmeraufenthalten vollkommen zu stillen. Doch der Weg zur Körung führt nur über den Behandlungstisch eines Veterinärs. Großes Blutbild und sonstige Untersuchungen muss ich über mich ergehen lassen. Und auch Zähnezeigen gehört dazu, denn eine Zahnkarte soll ausgefüllt werden. Bei der ganzen Prozedur bin ich sehr nervös, doch ohne Fleiß kein Preis. Und was soll ich Euch sagen, das Ergebnis lässt sich sehen, das Gebiss ist vollständig und ich bin kerngesund!

Fazit

Dass ich die Körung mit Bravur bestanden habe und was von mir dabei verlangt wurde, könnt Ihr an einer anderen Stelle in meinem Tagebuch nachlesen (2009, Körung). Mein Menschenrudel und ich sind wahnsinnig stolz darauf. Natürlich würde ich mich nun freuen, wenn ich auch eine Hündin decken dürfte. Doch das ist nicht alles, was ich hier am Schluss dieser Geschichte schreiben möchte.

Auch wenn die Körung nicht geklappt hätte, auch wenn ich nicht zur Zucht zugelassen worden wäre, so möchte ich die letzten Monate harter Arbeit nicht missen. Denn meine Geschichte zeigt, dass es sich lohnt, dass es möglich ist. Meine Zweibeiner haben viel gelernt und lernen müssen. Sie wissen nun, dass ich keine unüberschaubaren Ansammlungen und keine unkontrollierten Artgenossen mag, dass ich ruhige und langsame Spaziergänge liebe, dass ich während wir gehen nicht ständig verbal vollgesülzt werden möchte, dass ich in kritischen Situationen vom Leinenhalter eine Entscheidung haben möchte, dass ich manchmal auch meinen Abstand zum anderen Rüden brauche, dass ich eine langsame und auf Vertrauen aufbauende Kontaktaufnahme zu Menschen und Artgenossen bevorzuge. Bei Berücksichtigung dieser Punkte verbleibe ich dauerhaft auf den unteren Stufen der Aggressionsleiter. Damit gestalten sich die Spaziergänge stressfrei nicht nur für mich, sondern auch für meine Zweibeiner. Ein Heiliger werde ich vielleicht nie, aber ich habe mit Hilfe meines Menschenrudels und der uns unterstützenden Personen bewiesen, dass man die dunkle Seite seines Ich beherrschen und unterdrücken kann, dass man auch erlernte und eingefahrene Verhaltensweisen ablegen kann, wenn eine Alternative geboten wird. Und das ist wichtiger als die Körung. Denn wir lernen bekanntlich nicht für die Schule, sondern für das Leben.

Noch bevor hier die Tränen der Rührung kullern, bevor meine Geschichte den einen oder anderen dazu bewegt, nun mit seinen Vierbeinern mir das alles nachzumachen, möchte ich Euch daran erinnern, kein Hund gleicht dem anderen in seinem Wesen, wir sind alle Individuen. Die Kunst Eurer Hundehalter besteht nun darin, aus gelesener Literatur, aus Fernsehberichten, aus Erzählungen und Tipps von Bekannten und anderen Hundebesitzern genau die Informationen herauszufiltern, die für das eigene Puzzle wichtig und nötig sind. Nur wer diese Aufgabe zufrieden stellend zu lösen vermag, wird auch einen ausgeglichenen Alltag mit seinem vierbeinigen Begleiter erleben können.

 


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