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Der zweite Bildungsweg
oder das etwas andere Tagebuch

1. Akt: Dr. Jackel & Mr. Hyde

 

Das Vorwort

Der Tod meiner Mutter Daika ist ein einschneidendes Erlebnis in meinem noch so jungen Leben. Herrchen sagt immer und das hat er von seinem Vater gehört, dass der Tod eines Elternteils einem deutlich macht, man wäre nun der nächste auf der Liste. Klar ist es übertrieben und gar nicht angebracht, sich mit noch nicht mal zwei Jahren (mal sieben sind es auch nur vierzehn Menschenjahre) Gedanken über den eigenen Tod zu machen. Trotzdem sind solche Erlebnisse prägend und zwingen einen nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit zu schauen. Ist der Weg, den man eingeschlagen hatte, wirklich der, den man gehen wollte und vor allem auch zukünftig gehen will? Die ersten Jahre meines Lebens gehen als Zeitraffer Bild für Bild an mir vorbei und Manches sehe ich heute mit anderen Augen. Doch vielleicht sollte ich ganz vorne beginnen.

Irgendwie komme ich mir jetzt vor wie in einer Selbsthilfegruppe: Mein Name ist Ayk, ich bin (als ich diese Zeilen Ende 2009 verfasse) fast vier Jahre alt und ich war, in seltenen Fällen bin ich es immer noch, ein an der Leine zerrender und andere Rüden anpöbelnder Angeber. Doch so wie mein Menschenrudel behauptet, sie wollten nur einen Hund haben, so kann auch ich von mir behaupten, ich wollte nie so werden. Doch es kommt erstens anders und zweitens als man denkt. Meine Zweibeiner haben nicht nur einen Hund, sondern einen Kromi bekommen und ich, na ja liest doch lieber selbst.

Wie alles begann

Meine Geburt und die meiner Geschwister ist ein wunderbares Ereignis. Nicht nur meine Mama und meine Ziehfamilie warten sehnsüchtig auf uns Welpen, sondern auch noch eine Vielzahl von Interessenten. Auf meiner Homepage unter Welpenvermittlung habe ich bereits darauf hingewiesen, dass man einen Kromfohrländer nicht einfach so bekommt. Die Züchter wählen die zukünftigen Welpenbesitzer aus. Es werden unterschiedliche Kriterien betrachtet und natürlich gegeneinander abgewogen. Ziel dieser Auswahl ist es, die Welpen bestmöglich unterzubringen. Schließlich soll es uns Fellnasen zukünftig gut gehen und die Familien sollen sich lange auch an uns erfreuen können.

Trotz der Begeisterung und des Wunsches, endlich einen kleinen Vierbeiner in das eigene Heim aufnehmen zu können, werden bereits jetzt auch Themen wie rassenspezifische Krankheiten, Erziehung und Ernährung mit dem Züchter besprochen. Man kann die Wartezeit auf einen Kromi mit der Schwangerschaft beim Menschen vergleichen. Statt der Einrichtung eines Kinderzimmers wird für uns Welpen ein Zaun um den Garten gezogen, ein Körbchen und Spielzeug besorgt. Klar haben die Interessenten schon jetzt eine gewisse Vorstellung, was aus uns Welpen mal werden soll oder sie machen sich jetzt langsam Gedanken darüber. Ausstellungen, Agility, Dogdancing, Obedience liegen noch in weiter Ferne, der Welpenspielkreis aber nicht. Und jeder muss mal klein anfangen.

Über die Ernährung des Hundes gibt es tausende von Büchern und ebenso viele Meinungen. Auch zukünftige Eltern stehen vor der Entscheidung zwischen Hipp, Alete oder Selbstgekochtem. Beim Hund ist die Auswahl nicht geringer. Ein riesiger Industriezweig versucht den neuen oder werdenden Hundebesitzer zu überzeugen, dass Trocken- und/oder Nassfutter die beste und ausgewogenste Alternative für den Vierbeiner ist. Andere sind der Meinung, ein Hund ist ein Familienmitglied und hat deshalb das Gleiche zu verspeisen wie sein Menschenrudel. Wiederum andere schwören auf die Rohfütterung.

Während sich die Interessenten also den Kopf zerbrechen, wie sie sich auf uns Welpen vorbereiten sollen, wachsen wir Fellnasen, wir wachsen und wachsen und wachsen. Schnell sind wir ein paar Tage und dann ein paar Wochen alt. Und kaum fangen wir zu laufen an, so entdecken wir unsere Geschwister neu. Während sie bislang nur zum Ankuscheln und Wärmen für uns da waren, sind sie nun unsere Spielkameraden. Die Natur hat dafür gesorgt, dass wir uns schon jetzt auf unser späteres Leben vorbereiten. Es wird getobt, gerauft und gejagt aber auch viel geschmust und geschlafen. Noch sind geschlechtsspezifische Rollen egal, seinen Lieblingsspielkameraden sucht man sich nach anderen Kriterien aus. Unser Spielfeld wird tagtäglich größer, wir dürfen langsam die Wiesen in der Umgebung erkunden, wir fahren im Auto mit, lernen Kinder und andere Zweibeiner kennen. Es ist eine schöne Zeit der Entdeckungen, eine Zeit, in der wir keine Angst zu haben brauchen, da unsere Mama und unsere Ziehfamilie für uns sorgen. Ja auch die Geschwister sind schnell zur Stelle, wenn man Hilfe braucht, weil man z.B. ein Stöckchen nicht allein zu tragen vermag.

Noch bevor wir für unsere Ziehfamilie zur einer richtigen Belastung werden, weil wir in unserem Übermut die komplette Wohnungseinrichtung auseinander nehmen, weil uns Schuhe mit Löchern wesentlich besser gefallen, weil wir der Meinung sind, dass die Zimmer neu tapeziert werden müssen und wir bereits beim Herunterreißen der Tapeten behilflich sein wollen. Noch bevor die Wohnung viel zu klein für uns wird, werden wir Welpen von unserer Familie getrennt. Vorbei ist es mit der behüteten Kindheit, vorbei mit dem Ankuscheln an Mama, vorbei mit den Spielstunden unter Geschwistern. Es ist der erste Schritt in unserem noch jungen Leben, der uns in die Richtung Erwachsenwerden führt. Ob wir das wollen oder nicht.

Der Umzug

In der neuen Familie sind wir das Objekt der Begierde, der lang ersehnte Familienzuwachs. Natürlich wissen unsere Zweibeiner tief in ihrem Unterbewusstsein, dass sie bei uns durch die Trennung von unserer Kinderstube, von unserer Mama und unseren Geschwistern ein tiefes Loch gerissen haben. Dies versuchen sie nun durch viel Liebe und Aufmerksamkeit zu schließen. Und wie das so oft bei niedlichen und süßen Kleinkindern ist, steht nicht immer die Erziehung im Vordergrund, sondern die Harmonie. An dieser Stelle möchte ich nun in die Geschichte von meinem 2. Bildungsweg einsteigen. Die Einleitung ist aber deshalb wichtig, weil sie vieles, was ich nun erzählen werde, erst begreifbar macht.

Vor meinem Umzug ins Saarland wachse ich also in einer wohlbehüteten Umgebung auf, weiß immer meine Mutter an meiner Seite. Mit dem Umzug ändert sich mein Leben schlagartig. Nun stehen Zweibeiner im Mittelpunkt meines Lebens. Sie geben mir Futter, sie streicheln und knuddeln mich, sie spielen mit mir, sie gehen mit mir Gassi und in die Welpenspielstunde. Meine Welpenspielstunde ist super, davon ist mein Herrchen noch heute genauso überzeugt wie ich. Trotzdem mache ich hier im Freispiel und bei den ersten Spaziergängen im Wald auch meine ersten negativen Erfahrungen. Der Größen- und Altersunterschied der Welpen im Welpenspielkreis aber vor allen nachher in der Junghundgruppe macht sich in der Spielart bemerkbar. Was manche Zweibeiner noch als Laufspiel bewerten, artet nicht selten in Jagd und Mobbing aus, schnell wird man vom Spielkameraden zur Beute. Da das Auge für diesen kleinen aber feinen Unterschied den Beteiligten fehlt, wird auch nicht eingegriffen. Der Schutz zwischen den Beinen von Herrchen oder Frauchen wird verwehrt: „die sollen das unter sich ausmachen“. Im Wald begegnen uns Hunde und Zweibeiner, die nicht alle freundlich zu uns sind. Welpenschutz von wegen, ich bin noch nicht mal vier Monate alt, als mich der erste Jack Russel Terrier jagt und von meinem Herrchen abdrängt. Mit Tiger stehe ich seitdem auf Kriegsfuß und das wird sich auch nie ändern. Zum ersten Mal merke ich, dass Herrchen mich nicht beschützen kann, Zweifel machen sich breit. Das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Die Pubertät und ihre Folgen

Wochen und Monate vergehen und eine neue Lebensphase beginnt plötzlich, als ich mein Bein zum Markieren hebe. Spätestens in diesem Augenblick verliere ich die Unschuld eines Welpen und werde von Artgenossen als Rivale angesehen. In meiner Angst, nun angefallen und vielleicht verletzt zu werden aber auch in meinem jugendlichen Übermut entdecke ich das Bellen als Mittel zum Zweck, mir andere Hunde vom Leib zu halten, sprich sie zu vertreiben. Mein Menschenrudel steht vor einem Problem und sucht Rat in der Hundeschule, schließlich vermutet Herrchen dort die geballte Erfahrung an Hundeführung. Erster Lösungsansatz ist der Klammer- bzw. Schnauzengriff. Klar mit einem verschlossen Maul kann ich nicht bellen. Doch Aktion bedeutet prompt auch Reaktion. Da meine Angst durch das neue Vorgehen noch größer wird, versuche ich mich aus der Umklammerung zu lösen und gleichzeitig weiter zu bellen. Um mir den nötigen Freiraum zu verschaffen, schnappe ich um mich. Herrchen merkt schnell, dass ich sein Vorgehen missbillige. Er sucht erneut Hilfe in der Hundeschule. Die Antwort der Hundetrainerin ist simpel und niederschmettern zugleich: „Weiß ich nicht, ich hatte bisher nur Hündinnen.“ Das Problem hat sich somit verlagert, doch Probleme sind bekanntlich lösbar.

Die Hundeschule wird gewechselt, weg von Amateuren eines Hundevereins, hin zu Spezialisten einer privaten Hundeschule. Neuer Trainerin, neues Glück. Doch diese macht, kaum haben wir bei ihr begonnen, zuerst vier Wochen Urlaub. In dieser Phase natürlich nicht das Wahre. Also wieder ein Wechsel der Hundeschule. Hier klappen die Übungen anfangs ganz gut, die Schule macht richtig Spaß. Dass wir nun weiter fahren müssen, kein Problem, schließlich haben wir die Hoffnung, dass es was bringt. Und dann kommt der Tag, an dem das Übel passiert. Ein paar halbstarke Rüden, natürlich bin ich dabei, bellen sich gegenseitig an. Wurfscheiben zischen durch die Luft und unterbrechen die Auseinandersetzung schlagartig. Doch man wäre kein Kromi, wenn man dem Phänomen nicht nachgehen würde. Also setze ich wieder kurz zum Bellen an und beobachte die Umgebung.

Und bereits beim ersten Ansatz erkenne ich, wer die Scheiben geworfen hat. Diese Person ist für mich gestorben. Sie darf sich ab diesem Moment keine fünf Meter an mich nähern, ich weiche aus. Sie darf mich nicht an der Leine halten, ich gerate in Panik und versuche zu fliehen. Trotz Trainings besteht keine Aussicht auf eine Besserung. Nun wäre das Problem noch nicht so schlimm, wenn es sich dabei nicht um die Trainerin selbst handeln würde. Natürlich hat sie die Folgen ihrer Tat erkannt, doch es ist zu spät, ein weiterer Besuch dieser Hundeschule macht keinen Sinn. Das war’s mit Nummer drei.

Das zweite Gesicht

Nun bin ich fast ein Jahr alt und ohne eine vernünftige Hundeschule, meine Zweibeiner versuchen sich mit mir herumzuschlagen. Unsere Kommunikation gleicht der Unterhaltung eines Taubstummen mit einem Blinden. Ich verstehe kaum, was mein Menschenrudel von mir will und erwartet, andererseits wissen sie nicht, wo mein Problem liegt. Immer mehr geht man Konfrontationen aus dem Weg und sucht die Vermeidung. Wenn ich belle, verlieren Herrchen und Frauchen die Geduld und zerren mich weg, oder aber ich schaffe es, die anderen durch mein lautstarkes Auftreten zu vertreiben. In beiden Fällen habe ich meinen angestrebten Erfolg, es rückt mir keiner zu nah auf die Pelle. Dass die Spaziergänge dadurch keinem mehr Spaß machen, wird jedem Beteiligten immer mehr bewusst. Natürlich sorge ich für Ausgleich, zuhause bin ich der Schmusehund schlecht hin. Sitz, Platz und ein paar Kunststückchen sind kein Problem. Immer mehr kristallisieren sich zwei völlig verschiedene Gesichter heraus: Zuhause bin ich Dr. Jackel, draußen mutiere ich zu Mr. Hyde.

Meinem Herrchen geht langsam ein Licht auf, Kromis sind keine einfachen Hunde und kompetente Hundetrainer sind selten, auch wenn in einigen Zeitungen und Zeitschriften diverse Anzeigen das Gegenteil behaupten wollen. Zu diesem Zeitpunkt kann ich nur froh sein, dass mein Menschenrudel mich so sehr in die Familie eingeschlossen hat, dass der KS-Virus immer noch stärker ist als der Wunsch zu resignieren. Nicht selten werden Schicksalsgenossen in solchen Fällen kastriert und/oder ins Tierheim abgeschoben. Gutgemeinte Ratschläge anderer Hundebesitzer gibt es viele, auf die Nase hauen, da tut es besonders weh, am Ohr festhalten und Stachelhalsband, sinnvoller Weise angespitzt, waren noch die harmlosesten. Auch wenn schon mal das eine oder andere Rennen in die Leine mir weh getan hat, so bin ich trotzdem sehr froh und dankbar, dass keiner dieser genannten Ratschläge ausprobiert worden ist. Und die Tatsache, dass mein Halsband durch ein Brustgeschirr ersetzt worden ist, verhindert inzwischen Schäden am Kehlkopf und der Halswirbelsäule.

 


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